FAQ: Versicherungsschutz auf Geschäftsreisen
Ich bin dann mal weg
Täglich treten zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Geschäftsreisen für ihre Unternehmen an. Und regelmäßig erreichen die BGHM Fragen zum Versicherungsschutz: Sind Beschäftigte von der Abreise bis zur Ankunft durchgehend versichert? Stehen sie unter Versicherungsschutz, wenn sie beim Gang zur Toilette stürzen? Hier die Antworten auf diese und weitere Fragen.
Welche Tätigkeiten und Wege sind bei einer Geschäftsreise versichert?
Alle mit der dienstlichen Verrichtung wesentlich im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten und Wege auf einer Geschäftsreise sind gesetzlich unfallversichert. Das gilt auch für Wege vom und zum Unterbringungsort – etwa vom Bahnhof zum Hotel – und zum Essen. Diese Wege stehen nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, die den Versicherten an den fremden Ort geführt hat (vgl. Bundessozialgericht (BSG), 23. Juni 1977 – 2 RU 15/77; 28. Juni 1988 – 2 RU 60/87).
Muss ich das nächstliegende Restaurant aufsuchen, wenn ich bei einer Geschäftsreise abends Essen gehe und dieser Weg unter Versicherungsschutz stehen soll?
Nein, Versicherte müssen nicht das nächstgelegene Restaurant wählen oder gar im Hotel die Mahlzeiten einnehmen. Für den Versicherungsschutz ist es nicht maßgebend, ob andere gleichwertige Restaurants in näherer Umgebung zur Verfügung stehen. Der versicherte Zweck der Nahrungsaufnahme darf jedoch nicht so weit in den Hintergrund treten, dass eine Freizeitaktivität das prägende Motiv für den Besuch eines Restaurants und damit für den erfolgten Weg darstellt (Sozialgericht Hamburg, 2. Juli 2021, S 40 U 184/20).
Wann bin ich auf einer Geschäftsreise nicht versichert?
Zu den privatnützigen und damit gesetzlich nicht unfallversicherten Handlungen auf Geschäftsreisen zählen, wie auch sonst, essen, schlafen, sich anziehen und waschen, die Freizeitgestaltung und alle rein privaten Verrichtungen. Wird aus dem Tagungsprogramm und den Gesamtumständen deutlich, dass eine Abendveranstaltung nur als Begleitprogramm beziehungsweise als geselliger Ausklang zu einer Fortbildungsveranstaltung während einer Dienstreise vorgesehen ist und keinen Bezug zu den betrieblichen Tätigkeiten aufweist, steht die Teilnahme an dieser nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (Thüringer Landessozialgericht (LSG), 21. November 2019, L 1 U 1590/18).
Ebenso fallen beispielsweise nicht unter den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz: der Besuch einer Bar sowie der Rückweg zum Hotel mit Kolleginnen und Kollegen, auch wenn dabei über die Arbeit gesprochen wird (BSG, 30. März 2017, B 2 U 6/15 R), und der nächtliche Weg im Hotelzimmer zur Toilette, bei dem jemand über einen Bettüberwurf stolpert (SG Düsseldorf, 5. November 2015, S 31 U 34 427/14). Auch wer einen Dieb verfolgt, um die eigene Geldbörse wiederzuerlangen, ist bei dieser primär eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nicht gesetzlich unfallversichert (Hessisches LSG, 11. März 2019, L 9 U 118/18).
Kann auch eine Verrichtung privaten Charakters versichert sein?
Auch eine Verrichtung privaten Charakters kann bei Geschäftsreisen einen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit haben und damit versichert sein. Zum Beispiel wenn der Unfall aus einer Gefahrenquelle resultiert, die in ihrer besonderen Eigenart im Allgemeinen am Wohn- oder Beschäftigungsort nicht vorhanden gewesen wäre (BSG, 4. August 1992, 2 RU 43/91). Die Gefahrenquelle hebt sich nach Art und Ausmaß also von den vielfältigen alltäglichen Risiken ab, denen jeder Mensch ausgesetzt ist (BSG, 18. März 2008, B 2 U 13/07 R). Dies gilt vor allem dann, wenn die Gefahrenquelle sich auf private Verrichtungen des täglichen Lebens auswirkt, die auch während einer Geschäftsreise zwangsläufig anfallen, mit der Folge, dass sich der Versicherte der Gefährdung nicht entziehen kann (BSG, 18. März 2008, B 2 U 13/07 R). Dies war beispielsweise beim Riss eines Fahrstuhlseils im Hotel auf dem Weg zur Nachtruhe der Fall (BSG, 30. Juli 1958, 2 RU 177/55).
Bin ich auf der Heimfahrt versichert, wenn ich an die zehntägige Geschäftsreise noch eine private Übernachtung anhänge und nach dem privaten Tag zurückfahre?
Ja, grundsätzlich besteht für die Heimfahrt im angeführten Beispiel Versicherungsschutz. Versicherungsschutz auf Heimfahrten nach privaten Übernachtungen hängt auch davon ab, ob die Dienstreise durch die (gesetzlich nicht unfallversicherte) private Tätigkeit lediglich unterbrochen oder endgültig beendet wurde. Um das zu beurteilen, sind beispielsweise die Dauer der Dienstreise im Verhältnis zur privaten Tätigkeit und die weiteren Begleitumstände der Reisen relevant.
Bin ich auf einer Incentive-Reise versichert, auf die mich mein Arbeitgeber aufgrund meiner Verdienste im Vertrieb eingeladen hat?
Sogenannte Motivations- oder Incentive-Reisen sind keine versicherten Geschäftsreisen in diesem Sinne. Sie werden zwar vom Unternehmen finanziert und organisiert, jedoch stehen bei ihnen Freizeit, Unterhaltung und Erholung der Versicherten im Vordergrund. Deshalb fehlt es dabei regelmäßig an dem erforderlichen inneren (sachlichen) Zusammenhang mit der versicherten betrieblichen Tätigkeit.
Thomas Dunz, BGHM
Ausgabe 1/2023