Forschung zum Befüllen von Lkw-Reifen
Reifenfüllkäfige: Schutzmaßnahme beim Erstbefüllen von Reifen in Werkstätten
Bei der Erstbefüllung von Reifen in Werkstätten kommt es immer wieder zu Unfällen. Vor allem weggeschleuderte Reifenteile oder die entstehende Druckwelle bei einem Reifenplatzer verursachen dabei teilweise schwere Verletzungen.
Jedes Jahr wird bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) eine signifikante Anzahl von meldepflichtigen Unfällen im Zusammenhang mit geplatzten Fahrzeugreifen angezeigt. In der Mehrzahl der Fälle hätten Verletzungen durch den Einsatz von geeigneten Schutzmaßnahmen verhindert werden können.
Bei der Erstbefüllung von Reifen sind das beispielsweise Reifenfüllkäfige. In einem nun abgeschlossenen BGHM-Forschungsprojekt wurden die konkreten Einflüsse von drei verschiedenen Reifenfüllkäfigen als Schutzmaßnahmen für das Erstbefüllen von Lkw-Reifen untersucht.
Im Fokus des Forschungsprojekts stand die Ausbreitung der Druckwelle bei den unterschiedlichen Typen von Reifenfüllkäfigen. Es wurde die Wirksamkeit in Abhängigkeit von der Konstruktion des jeweiligen Reifenfüllkäfigs betrachtet. Um die Vergleichbarkeit der Versuche sicherzustellen, wurde das Platzen der Reifen mit Hilfe eines Druckbehälters simuliert, dessen Volumen einem Lkw-Reifen der Größe 385/65 R22,5 mit einem maximalen Druck von 9 bar entsprach. Nach ersten grundlegenden Versuchen in einem Institut in Freiberg wurden weitere Versuche bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) durchgeführt. Dabei stand eine detaillierte Auswertung der Druckwellen-Charakteristik im Fokus.
© BAM
Konstruktion als entscheidender Faktor
In den Versuchen konnte nachgewiesen werden, dass bei einem Reifenplatzer die Stärke der Druckwelle von der Konstruktion des Reifenfüllkäfigs abhängig ist. Außerdem war erkennbar, dass beim Verwenden eines Reifenfüllkäfigs die Intensität der Druckwelle – der tatsächliche Druck in mbar – durch den räumlichen Abstand zum Reifen stärker abnimmt als ohne Reifenfüllkäfig. Alle Versuche haben konsistente Messergebnisse geliefert.
Ein weiterer Vorteil eines Reifenfüllkäfigs besteht darin, dass Reifenteile von den Gittern des Käfigs abgehalten oder abgelenkt werden. Die Fläche des Gitters spielt hier eine entscheidende Rolle. Ist sie groß und/oder engmaschig genug, werden die umherfliegenden Reifenteile abgelenkt und bleiben im besten Fall sogar im Reifenkäfig. Je höher die Rückhaltefähigkeit ist, umso besser ist der Schutz vor der Druckwelle und den weggeschleuderten Reifenteilen.
Trotzdem ist ein komplett geschlossener Reifenfüllkäfig nicht die optimale Lösung, denn eine solche Variante birgt andere Gefährdungen. Die Verformung eines Reifens während des Befüllvorgangs kann beispielsweise nicht erkannt werden. Bei einem Reifenplatzer kann der Druck nicht entweichen und der Reifenfüllkäfig wird stark beschädigt. Zudem sind die Kosten und das Gewicht bei einer geschlossenen Variante viel höher.
Darauf ist zu achten
Der ideale Reifenfüllkäfig soll ein ausgewogenes Verhältnis von Lochflächen und der Gesamtfläche des Gitters haben. Durch die Gestaltung mit entsprechenden Gittern, die teilweise doppelt angeordnet werden, wird der nominale Druckwert verringert. Mit den vorliegenden Forschungsergebnissen ist nachgewiesen, dass ein Abstand zwischen dem Reifenfüllkäfig und Mitarbeitenden von 2,5 m und mehr als sicher angesehen werden kann, unabhängig vom Typ des Reifenfüllkäfigs.
In Fällen, in denen kein Reifenfüllkäfig angewendet werden kann, ist darauf zu achten, dass Mitarbeitende seitlich zum Reifen stehen, um beim Platzen nicht von der Druckwelle und den Reifenteilen erfasst zu werden. Wichtig ist auch, dass in der Betriebsanweisung und der jährlichen Unterweisung auf den richtigen Umgang mit den Schutzmaßnahmen beim Befüllen von Reifen eingegangen wird. Björn Scharf und Henning Ziera, BGHM
© Beissbarth
Ausgabe 4/2023