Sicherer geht es ohne

Schwerpunktthema: Einsatz von Leitern

Leitern sind in vielen Betrieben häufig im Einsatz. Dabei unterschätzen Nutzerinnen und Nutzer meist die Gefahren, die von den Aufstiegshilfen ausgehen. Bereits bei einem Sturz aus geringen Höhen können schwere oder sogar tödliche Verletzungen entstehen. Um dies zu verhindern, ist der Einsatz von Leitern reguliert.

Unter den Absturzunfällen sind diejenigen von Leitern die häufigsten, und das seit vielen Jahren. Durchschnittlich 34.000 meldepflichtige Absturzunfälle verzeichnet die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung pro Jahr. In etwa 30 Prozent der Fälle stürzen die Betroffenen von Leitern oder Tritten – das sind rund 10.000 Abstürze jährlich. Die Verletzungsfolgen sind oft schwerwiegend. Die häufigsten Unfallursachen sind falsches Aufstellen der Steighilfe und daraus resultierende zu geringe Standsicherheit, einseitige Belastung etwa durch seitliches Hinauslehnen, die Verwendung von schadhaften oder qualitativ minderwertigen Leitern und Tritten sowie Arbeiten mit hohem Krafteinsatz auf einer ungesicherten Aufstiegshilfe.

Titelbild BGHM-Magazin Ausgabe 5/2023
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Rechtslage und deren Interpretation

Auch wenn leiterlose Betriebe und Baustellen eine Vision bleiben dürften: Der Einsatz der Leiter als Arbeitsplatz oder als Zugang zu hochgelegenen Arbeitsplätzen ist mittlerweile durch verschiedene Regularien deutlich begrenzt, unter anderem durch die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die erläuternde Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 2121 Teil 2 „Gefährdung von Beschäftigten bei der Verwendung von Leitern“. In der TRBS ist festgelegt, dass Leitern als Verkehrsweg oder als Arbeitsplatz nur eingesetzt werden dürfen, wenn

Sicherere Arbeitsmittel sind zum Beispiel Gerüste und Hubarbeitsbühnen. In der Praxis ist die Leiter entgegen diesen Regularien jedoch sehr weit verbreitet und zu oft erste Wahl. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind die baulichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Die Rechtslage fordert also die Bewertung der Arbeitsplätze in der Gefährdungsbeurteilung und damit verbunden die Festlegung geeigneter Schutzmaßnahmen. Dabei sollten insbesondere auch die Vorgaben der TRBS 2121 Beachtung finden. Sie enthalten detaillierte Angaben zu Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit das Arbeiten auf Leitern zulässig ist. Seit Dezember 2018 gilt die Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 2121. In ihrem Teil 2 wurden zwei wesentliche Neuerungen eingeführt:

Weitere Vorgaben aus der TRBS: Werden zum Beispiel Arbeiten in der Höhe länger als zwei Stunden pro Tag ausgeführt, werden beide Hände für das Arbeiten mit Handmaschinen benötigt oder müssen Stoffe mitgenommen werden, von denen zusätzliche Gefahren ausgehen, sind Hubarbeitsbühnen, Gerüste, fahrbare Arbeitsbühnen oder andere geeignete Arbeitsmittel zu verwenden.

Nur in begründeten Ausnahmefällen können dann Leitern zum Einsatz kommen. Ist dies gegeben, sollte die Leiter so sicher wie möglich sein. In Frage kommen zum Beispiel Plattform- oder Podestleitern, da sie mehr Sicherheit als Anlege- und Stehleitern bieten. Sie enden in einer Plattform oder einem Podest und verfügen über einen Haltebügel. Das gibt Bewegungsspielraum, um Gegenstände ohne Balanceakt zu bewegen. Sprossenleitern dürfen nur in begründeten Fällen als Arbeitsplatz verwendet werden, etwa in engen Schächten.

Relevante Hinweise für die sichere Verwendung von Leitern finden sich außerdem insbesondere in den folgenden Schriften:

Auch wenn die Gefährdungsbeurteilung ergeben hat, dass der Einsatz einer Leiter in einer spezifischen Arbeitssituation grundsätzlich zulässig ist, ergeben sich für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber weitere Pflichten. So dürfen sie nur Leitern zur Verfügung stellen, die nach ihrer Bauart für den jeweiligen Einsatz geeignet sind. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass Leitern intakt sind und regelmäßig gewartet werden. Deshalb sind wiederkehrende Funktionskontrollen sowie die Sichtprüfung durch die Nutzerinnen und Nutzer auf Beschädigungen vor jeder Verwendung unerlässlich. Die Schuhe der Beschäftigten müssen rutschhemmend sein und einen sicheren Stand ermöglichen. Dasselbe gilt für den Untergrund, auf dem die Leiter steht.

Seit der Überarbeitung einiger Teile der DIN EN 131, insbesondere dem Teil 2, werden Leitern in zwei Leiterklassen eingeteilt. Dabei wird zwischen dem Einsatz im beruflichen und nicht beruflichen (dem privaten) Bereich unterschieden. Geeignete Leitern für den beruflichen Gebrauch müssen vom Hersteller entsprechend gekennzeichnet werden (siehe Abbildung oben). Sie durchlaufen mehr Prüfzyklen und werden mit höherer Last geprüft als diejenigen, die ausschließlich für den privaten Bereich gedacht sind.

Arbeiten auf der Leiter

Eine Leiter als hochgelegenen Arbeitsplatz zu verwenden, ist grundsätzlich nur bis zu einer Standhöhe von zwei Metern zulässig. Bei zeitweiligen Arbeiten ist jedoch eine Standhöhe zwischen zwei und fünf Metern erlaubt. Das sind beispielsweise Wartungs-, Instandhaltungs-, Inspektions-, Mess- und Montagearbeiten, wenn sie einen Zeitraum von zwei Stunden je Arbeitsschicht nicht überschreiten. Bei allen Arbeiten auf Leitern muss der oder die Beschäftigte mit beiden Füßen auf einer Stufe stehen. Da Stehleitern oftmals leichter zu transportieren und zu tragen sind als Anlegeleitern, werden sie gerne zusammengeklappt und angelehnt als Verkehrsweg verwendet. Ein gefährlicher und verbotener Umgang, da die Leitern leicht wegrutschen können. Auch die Hersteller schließen eine solche Verwendung aus. Eine Stehleiter kann immer nur ein Arbeitsplatz sein, niemals ein Verkehrsweg. Bei einer Stehleiter dürfen die obersten zwei Stufen, bei einer Anlegeleiter die obersten drei Stufen und bei einer Stehleiter mit aufgesetzter Schiebeleiter die obersten vier Stufen nicht betreten werden. Vor der Verwendung einer Leiter ist das Maximalgewicht zu beachten (in der Regel maximal 150 kg), das sie tragen kann. Zum Gewicht der Person muss das Gewicht von Werkzeugen und Materialien, die auf ihr verwendet werden, hinzugerechnet werden. Das Gesamtgewicht darf die Vorgabe nicht überschreiten. Anlegeleitern sollten grundsätzlich so angelegt werden, dass sie in einem Anstellwinkel zwischen 65 und 75 Grad zur Waagerechten stehen. Mit der „Ellenbogenmethode“ lässt sich ermitteln, ob die Leiter richtig steht (siehe Abbildung oben).

Die Leiter als Verkehrsweg

Leitern als Zugang zu hochgelegenen Arbeitsplätzen zu verwenden ist dann zulässig, wenn der zu überwindende Höhenunterschied maximal fünf Meter beträgt. Stufenleitern bieten generell einen besseren Halt, als Verkehrsweg sind aber auch Sprossenleitern zulässig. Wichtig ist, dass auf einen sicheren Anlegewinkel und einen Leiterüberstand von einem Meter an der Austrittsstelle in der Höhe geachtet wird. Ab einer Leiterlänge von drei Metern ist eine Fußverbreiterung vorgeschrieben. Auch wenn Leitern nur zum Auf- und Abstieg genutzt werden, ist es verboten, Stehleitern als Anlegeleitern zu verwenden. Zudem dürfen Beschäftigte nicht von einer Stehleiter aus auf Maschinen oder Bauteile übersteigen. Wird eine Leiter als Verkehrsweg verwendet, ist zusätzlich zu beachten, dass an der Austrittsstelle Schutzmaßnahmen gegen Absturz erforderlich sind.

Kathrin Stocker, BGHM

Praxis-Check für die Auswahl und den sicheren Einsatz

Praxis-Check: Auswahl eines sicheren Arbeitsmittels (Hubarbeitsbühne, Gerüst) 
Bevor eine Leiter zum Einsatz kommt, ist zu überprüfen, ob die Arbeiten mit anderen sichereren Arbeitsmitteln ausgeführt werden können (Beachtung der Arbeitsaufgabe, Dauer, Mitnahme von Werkzeug und Material, Untergrundbeschaffenheit).Tipp: Verwenden Sie nur dann Leitern, wenn Sie keine Alternative haben. Ziehen Sie wann immer möglich eine Hubarbeitsbühne, ein Gerüst oder eine fahrbare Arbeitsbühne (Rollgerüst) vor.
Praxis-Check: Auswahl einer sicheren Leiter (Podestleiter, Plattformleiter) 
Muss dennoch eine Leiter zum Einsatz kommen, sollte eine Podest- oder eine Plattformleiter gewählt werden (sicherer Stand durch Podest, Zeitbeschränkung entfällt).Tipp: Nutzen Sie, wenn immer es möglich ist, leichte Podest- oder Plattformleitern. Ansonsten beachten Sie für die Verwendung von Leitern als Arbeitsplatz:
Stufe statt Sprosse.
Praxis-Check: Beachtung der Herstellervorgaben und der Einsatzbeschränkungen 
Auf Leitern sind Piktogramme angebracht, die die richtige Verwendung, festgelegt durch den Hersteller, beschreiben. Als Arbeitsplatz sind ausschließlich Leitern mit Stufen zu verwenden. Stehleitern sind reine Arbeitsplätze, ein Übersteigen ist
verboten. Auch die Anstellwinkel sind vorgegeben. Welche Stufe als letzte Stufe begehbar ist, ist auf den Piktogrammen ebenfalls sichtbar.
Tipp: Achten Sie auf die Piktogramme. Berücksichtigen Sie den Anstellwinkel, die oberste begehbare Stufe und
wählen Sie die passende Länge.
Praxis-Check: Beachtung der 3-Punkt-Methode 
Mithilfe der sogenannten 3-Punkt-Methode wird die Nutzung von Leitern sicherer. Sie empfiehlt, dass der Nutzer stets mit drei Körperteilen Kontakt mit der Leiter hat, entweder mit zwei Füßen und einer Hand oder mit beiden Händen und einem
Fuß. Freihändiges Arbeiten sollte grundsätzlich vermieden werden.
Tipp: Werden beide Hände für die Arbeiten benötigt, ist die Anlegeleiter oder die Stehleiter das falsche Arbeitsmittel.
Praxis-Check: Verwendung von geprüften Leitern 
Defekte Leitern, bei denen Stufen oder andere Elemente fehlen, die verformt sind oder Verschleißerscheinungen aufweisen, sollten sofort entsorgt werden. Vor jeder Verwendung müssen Leitern und Tritte visuell auf Schäden kontrolliert werden. Bei Auffälligkeiten dürfen diese Aufstiege bis zur Klärung durch eine zur Prüfung befähigte Person oder vom Unternehmer zur Prüfung benannte Person nicht verwendet werden.Tipp: Die Leitern sollten sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden. Um das sicherzustellen, sind regelmäßige Funktionskontrollen sowie die Sichtprüfung
auf Beschädigungen vor jeder Verwendung
unerlässlich.